In meiner Praxis verzeichne ich einen vehementen Zuwachs an Menschen, die unter depressiven Verstimmungen, Depressionen, Burn-Out-Syndromen und Angstattacken leiden.
Unsere schnelllebige Gesellschaft, die Wirtschaftskrise, die Instabilität von sozialen Beziehungen und die damit verbundene Einsamkeit, der Leistungsdruck und das Ideal eines Menschen, welches durch die Medien propagiert wird, fordern ihren Tribut.
Im Folgenden möchte ich auf die larvierte Depression eingehen, eine Sonderform, bei der nicht die depressive Stimmung, sondern die körperlichen Symptome, welche die Depression maskieren, im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zu anderen Formen, sind hier die Betroffenen häufig nicht zu offensichtlich in ihrem Leistungsvermögen eingeschränkt.
Wenn ein Mensch in unserer Gesellschaft nicht mehr funktioniert, wird er oftmals ausgegrenzt. Seelische Symptome werden nicht als gleichwertig gegenüber den körperlichen Symptomen angesehen. Viele Menschen haben verlernt ihrer Seele zuzuhören, ihre Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen. Oftmals stammt dieses Verhalten aus der Kindheit, als man schutzlos war und es in manchen Situationen dazu kam, dass die Seele abgespalten wurde, unempfindlich gemacht wurde, weil der Schmerz sonst überhand genommen hätte.
Und viele nehmen diese Abspaltung mit in ihr Erwachsenenleben. Oftmals muss der Körper erst so laut schreien, Symptome so viel Angst machen, dass der Leidensdruck entsteht etwas zu ändern und sich von alten Manifesten zu befreien.
Manche Patienten kommen mit körperlichen Symptomen und haben bereits eine wahre Ärzte-Odyssee hinter sich gebracht. Da aber die Untersuchungen in diesen Fällen oftmals keine Erklärung bieten, erzeugt die Ungewissheit, das Nicht-Erkennen einer larvierten Depression ofmals eine große Angst. Oder, er kommt und meint "Das ist nur die Psyche". Psychische Symptome werden im Vergleich zu körperlichen Leiden immer noch als minderwertig empfunden. Manchmal kann ein körperlicher Defekt leichter als ein seelisches Leiden akzeptiert werden - vom Umfeld und vom Patienten selber.
Daraus ergeben sich zwei verschiedene Probleme:
Erstens gibt es Patienten, bei denen die larvierte Depression nicht erkannt wird und die somit ein langen Leidensweg voller Angst vor der Ungewissheit auf sich nehmen müssen.
Zweitens gibt es Menschen, die erkannt haben, dass der Ursprung ihres Leidens ihrer Seele innewohnt, aus einer Überforderung oder einem Schmerz resultiert. Hier ist aber die große Gefahr, die Therapie allein auf psychotherapeutische Maßnahmen zu begrenzen. Es ist ja nicht so, dass der Betroffenen sich die Symptome einbildet, sondern die Anspannung hinterlässt ihre Spuren im Körper und diese Blockaden müssen wieder aufgelöst werden.
Ein Beispiel:
Ein depressiver Patient kommt mit den Symptomen Brustschmerzen, Reizdarm und Infektanfälligkeit. Gehen wir davon aus, dass dieser Symptomatik ein übersteigerter Leistungsdruck, eine Überforderung zugrunde liegt. Natürlich muss dies aufgearbeitet werden, aber dies ist oft ein langwieriger Prozess und die körperlichen Symptome, die so einschränken, so Angst machen sind immer noch da.
Was ist im Körper passiert? Gehen wir mal auf die physiologische Ebene. Der Patient hat ständig eine zu flache und schnelle Atmung, woraufhin sein sein Säure-Basen-Haushalt sich verändert und Calcium für die Muskulatur nicht so gut verfügbar ist . Zudem zieht er ständig die Schultern hoch um sich zu schützen. Die Muskeln sind so verspannt - die Chinesen würden sagen "Das Qi kann nicht fließen"-, dass es zu Schmerzen kommt. Vielleicht findet sich ja auch noch eine Wirbelblockade in der Brustwirbelsäule... Vielleicht irritieren die verspannten Muskeln irgendwelche Nerven.
Aber woher hat er seinen Reizdarm und seine Infektanfälligkeit? Mal überlegen, da gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen steht er unter großem Druck und als Folge davon werden Stresshormone ausgeschüttet. Stresshormone sind im Grunde nichts Negatives, ohne sie könnten wir auf Anforderungen unserer Umwelt nicht adäquat reagieren und in der Urzeit wären wir nicht in der Lage gewesen mit dem großen Säbelzahntiger zu kämpfen oder einfach vor ihm wegzulaufen. Und nicht nur Stresshormone werden ausgeschüttet, sondern auch unserer Kampfnerv, der Sympathikus, ein Teil unseres vegetativen Nervensystems läuft auf Hochtouren. Aber was bewirken diese Stresshormone - Adrenalin, Cortisol und wie sie alle gleich heißen? Sie führen dazu, dass der Herzschlag sich beschleunigt, dass wir anfangen zu schwitzen, dass wir unruhig werden, dass die Verdauungsleistung heruntergefahren wird (wenn ich eigentlich kämpfen muss, habe ich keine Zeit zum Verdauen), aber trotzdem vermehrt Magensäure ausgeschüttet wird und auch die Darmflora langfristig geschädigt wird. Das Gesündeste wäre, einfach zu rennen und die Stresshormone wieder abzubauen. Aber wenn der Termindruck groß ist, der innere Antrieb herabgesetzt ist, die Angst vor den Symptomen da ist, tendieren viele Menschen dazu sich zu verkriechen und zu erstarren.
Aber warum wird der Betroffene nun alle Nase lang krank? Auch dies hängt mit den Stresshormonen zusammen. Wir bilden ein Stresshormon namens Cortisol - vielen bekannt als Medikament Cortison. Diese Hormon wirkt immunsuppressiv, d.h. es hat eine Wirkung auf unsere Abwehrzellen, genauer gesagt unterdrückt es unsere Lymphozyten, unsere Armee gegen Erreger. Tja und wenn die vermindert sind, dann wird der Körper mit Einringlingen eben nicht so gut fertig.
Meiner Ansicht nach bedarf es bei depressiven Erkrankungen nicht nur einer psychischen Betreuung, sondern aus den genannten Gründen ebenso einer körperlichen Behandlung. Der Patient bildert sich die Symptome nicht ein, häufig allerdings nimmt er sie viel stärker wahr und sie führen bei ihm zu einer Stressreaktion. Häufig haben die körperlichen Symptome eine Eigendynamik entwickelt, die es zu behandeln gilt.
Häufige Symptome der larvierten Depression sind:
chronische Schmerzen
Herzrasen, Brustschmerzen
Verdauungsbeschwerden
Schlafstörungen
Antriebsmangel, Müdigkeit
Kloß- oder Druckgefühl im Hals
Störungen der Menstruation und des Sexualtriebes
Natürlich müssen diagnostisch weiter Erkrankungen ausgeschlossen werden.
Sollten Sie Fragen haben, kontaktieren Sie mich gerne.
Eva Schmid